Seit dem 4:4-Unentschieden gegen Schachweltmeister Wladimir Kramnik im Oktober ist Computer Deep Fritz in aller Welt bekannt. Was nur wenige wissen: Der laut Experten wichtigste Mann des Deep-Fritz-Teams lebt weithin unbekannt mitten in Wien: „Eröffnungs-Master-Mind“ Alexander Kure. Seine Eröffnungswahl war Ursache, dass Kramnik in der zweiten Wettkampfhälfte fast verzweifelte.
Der 35-jährige Wiener ist Autor des Eröffnungsbuches von Deep Fritz. „Diese Datenbank enthält rund 100.000 Partien aller Supergroßmeister sowie unzählige Geheimanalysen von mir selbst“, erklärt Kure. „Im Idealfall folgt der Computer 20 bis 30 Züge lang der Datenbank und beginnt dann erst selbst zu spielen.“
Wie viele Stunden Arbeit stecken darin? „Im Schnitt vier Stunden täglich, und das seit zehn Jahren“, rechnet Kure nach. Und verblüfft gleich enorm: „Dabei ist das ganze nur ein Hobby, größtenteils arbeite ich nachts daran!“ Kaum zu glauben, dass dies neben seinem 40-Stunden-Job als Softwareentwicklungsingenieur machbar ist. Und Zeit für Musik, Kino und Fantasy-Rollenspiele soll auch noch bleiben. Ein reiner Idealist: Während Weltmeister Kramnik für die acht Partien in Bahrein fast eine Million Dollar kassierte, erhielt Alex Kure gerade die Spesen ersetzt.
Sicher muss man exzellent spielen, um den besten Computer der Welt zu „trainieren“? „Nein, ich verstehe nicht viel von Schach“, untertreibt Kure, „ mich haben immer die Eröffnungen fasziniert.“ Für seinen Verein Breitensee spielt er gelegentlich in der Wiener Landesliga und besitzt immerhin 2200 Elo-Punkte. Doch Kure ist den Schachprogramm-Autoren lieber als jeder Großmeister. Der Wiener versteht einfach mehr vom Computerschach. „Ein anderes Spiel, es hat nichts mit Schach zu tun!“ philosophiert er.
Kures nächste Ziel ist die Computer-WM 2003 in Graz. „Dort könnte
das neue, revolutionäre Programm Brutus, das Österreichs Experte Chrilly
Donninger unter meiner tatkräftigen Mithilfe entwickelt hat, Weltmeister
werden!“
Wann wird der Computer endgültig stärker sein als der Mensch? „Ich
hoffe, nie!“ meint Kure. „Ich fürchte aber, in zehn Jahren
hat kein Mensch eine Chance.“ Lockere Fünf-Minuten-Blitzpartien gegen
Fritz wird er trotzdem immer gerne spielen: „Zwei von zehn gewinne ich,
denn ich kenne ja die blinden Flecken des kleinen Monsters!“
© Martin Stichlberger, erschienen im Kurier (24.11.2002)
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