Die Geschichte der
legendären Kurier-Kolumne
1989-2006

 

Nichts ist älter als die Zeitung von gestern. Wenn in der heutigen schnelllebigen Zeit eine Kolumne 17 Jahre überdauert, muss man feiern. Und alles, was länger als fünf Jahre hält, darf schon getrost als "legendär" bezeichnet werden. Es war immer ein großes Vergnügen, die Kolumne zu gestalten, obwohl sicher mehr Zeit hineinfloss, als man sich vorstellen kann. Der große Reiz war, in ein Minimum an Platz ein Maximum an Schach-Spaß zu verpacken.

Heutzutage, da Mailen selbstverständlicher ist als miteinander Reden, sind für mich die Manuskripte zu den Kolumnen eine fast unglaubliche Geschichte des elektronischen Fortschritts. Die ersten Manuskripte wurden mühsam auf Reiseschreibmaschine getippt, die Schach-Diagramme mit Stempeln gefertigt, dann alles persönlich in die Redaktion gebracht. (Umformulieren und kürzen fast unmöglich; ein winziger Fehler und alles nochmal!) Anfang der 90-er Jahre folgte ein "Video-Writer" (eine Art elektronische Schreibmaschine) sowie ein Fax-Gerät. Und gegen Mitte der 90-er-Jahre endlich der Computer, aber zunächst noch ohne Schachprogramm. Die gestempelten Diagramme wurden in den ausgedruckten Computertext geklebt. Dann ging es Schlag auf Schlag: Endlich kamen Programme für elektronische Diagramme, schließlich Chess-Base. Die Übertragung per Fax wurde durch simples E-Mail abgelöst, wobei der Text aber zunächt nicht ins Kurier-Computersystem kopiert werden konnte; Sekretärinnen mussten ihn abtippen. In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts wurde auch das verbessert. Und zur Zeit der Einstellung waren wir knapp davor, dass ich von zu Hause direkt in den Kurier-Computer hineinschreiben hätte können...!

 

Drei große Etappen:

1) "Kenner-Könner-Kuriosa" (erschien in der Freizeit-Beilage; 1989-1992)

Wohl das idealste Konzept, an dem Hobbyspieler und Fortgeschrittene ihre Freude hatten, von mir eigens für den Kurier erdacht. Drei Beispiele: Das erste ("Kenner") leicht samt Besprechung, das zweite ("Könner") ein Beispiel mit demselben Kombinations-Motiv zum Lösen, das dritte ("Kuriosa") ein lustiges oder skurilles Beispiel. Und als kleine geistige Spielerei war es Ehrensache, dass die drei Titel irgendeine Verbindung aufwiesen.

2) "Schach mit Schachimedes" (erschien in der Freizeit-Beilage;1992-1995)

Als die drei Beispiele den Weg der meisten Zeitungsschicksale erlitten und auf zwei Beispiele reduziert wurden, erfand ich ein anderes Konzept: Die beiden Beispiele wurden in einer Geschichte verwoben und von "Schachimedes" präsentiert. Ein "inexistenter Schachlogiker griechischer Abstammung", der im Dialog mit dem Leser zumeist gute oder weniger gute Tipps gab.

3a) "Vom Musterzug zum Meisterzug" (erschien im Lokalteil, dann im Leben-Teil, dann auf einer Spieleseite; 1995-2006)

Die Übersiedlung von der Wochenend-Beilage in den Chronik-Bereich ließ die Kolumne tagesaktuell werden. Ein Teil enthielt eine kurze, meist nicht todernste Story über Aktuelles in der Schachwelt. Der schachliche Teil enthielt zwei Beispiele mit demselben Motiv zum Lösen, die oft mit der aktuellen Story zusammenhingen und zumeist brandneu waren.

3b) "Quiz für Querdenker" und "Partie des Monats" (Lokalteil, Lebenteil, Spieleseite;1996-2006)

Stets in der ersten Woche des Monats kam zur Abwechslung eine kuriose Denkaufgabe "für Querdenker" (oft aus dem Bereich Märchenschach, Retroschach etc.) sowie eine kommentierte brandaktuelle Partie. Konnten die Leser anfangs noch (mit großer Resonanz!) einsenden und an Gewinnverlosungen teilnehmen, ließ das Medienrecht später ein Gewinnspiel nicht mehr zu.

 

WM-Berichterstattung und Mensch gegen Maschine

Eine höchst spannende Herausforderung waren die tagesaktuellen Berichte über WM-Kämpfe (oder Mensch gegen Computer) samt Kommentar jeder Partie. Hier war der Kurier Vorreiter in Österreich. Großes Ziel war, den Hobbyspielern einen kleinen Einblick in die tiefsinnige Schachwelt zu geben. Viel Zeit blieb nicht; der Redaktionsschluss am frühen Nachmittag (wo Text und Züge bereits fehlerfrei und in der Länge eingepasst sein mussten) sorgte für stressige Vormittage.

Die von mir kommentierten Kämpfe:

Kasparow - Karpow, New York / Lyon 1990
Fischer - Spasski, Sveti Stefan / Belgrad 1992
Kasparow - Short, London 1993
Kasparow - Anand, New York 1995
Kasparow-Deep Blue, New York 1997
Kasparow - Kramnik, London 2000
Kramnik - Deep Fritz, Bahrain 2002
Kasparow - Deep Junior, New-York 2003
Kasparow - 3D-Fritz, New York 2003
Kramnik - Leko, Brissago 2004

 

Das Schachmatt

Das Aus kam, als die Chefredaktion (im Zuge der Nervosität über die neue Konkurrenz "Österreich" ) modernisieren wollte und befand, dass Dinge wie Schach, Bridge und Briefmarken (in diesem Konnex erschien die Kolumne zuletzt) nicht modern genug für die Zielgruppe wären. Ein offizieller Vorwand, das scheinbare Desinteresse der Schachspieler, war bald gefunden (hier). Drei Sudokus folgten als Ersatz.

 


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