Schach-Gedichte
Eine bunte, sehr subjektive Auswahl


CAISSA
(Hermann Lehner, 1873)

Ein Gedicht über die unheilvolle Dämonie des Schachs (wie wahr!) in elegischen Distichen. (Wer kann das heute noch!?) Allerdings nicht das berühmte Ur-Gedicht "Caissa" von Sir William Jones (1763), das doch ein wenig ausgiebiger ist. (Sti)


Schlummerlos lieg ich am Pfühle und zähle die nächtlichen Stunden;
Nimmermehr, glaubt es mir, lockt mich das bunte Geviert.

Jahrelang bringt mich Caissa um Morpheus' köstliche Gaben;
Schrecklich doch rächt er sich stets für den entzog'nen Tribut.

Siehe, dem grausamen Spiele entlehnt er die schrecklichsten Bilder:
Waffen und Wälle umdräu'n grausam den wehrlosen Mann.

Furchtbare Heere erschafft er, die mich allnächtlich bekriegen;
Quält das erhitzte Gehirn, bis mich Aurora erlöst.

Dennoch naht sich der Abend, lenk' ich die gierigen Schritte
Wieder den nämlichen Weg, wieder zum magischen Hort.

Bald ist die Schwelle erreicht; es schwindet dem Geiste die Welt nun:
Über der wirklichen baut sich die symbolische auf.

Wandelbar ist die Neigung der Menschheit für alles Schöne,
Hohe der Welt. Oft mißfällt heute, was gestern entzückt.

Langsam aber, doch dauernd, erwirbt seine redlichen Freunde
Sich das indische Spiel, die bis zum Grab sich erhält.

Jünglinge sah ich die Jugend, Männer die Vollkraft der Jahre,
Greise die spärliche Glut opfern dem geistigen Kampf.

Lor'lei bezaubert den Schiffer und zieht in hinab in den Abgrund;
Aber Caissen genügt, daß sie ihr Opfer bestrickt.

Sklaven sind wir doch alle, auch da, wo wir Herrscher uns dünken:
Unwiderstehlich beherrscht uns das dämonische Brett.


DER SCHACHMEISTER
(Karl Rapf, 2003)

So besiegt man den Computer...! Mit Dank an den "Schüttelreim-Meister" aus Wien. Des Wienerischen Unkundige werden sich allerdings schwer tun...(Sti)


Des Schachspieln, des is mei Passion,
bei den Gspiel bin i a Kanon:
Königsindisch und Gambit,
en passant nimmt Bauern mit,
Nimzowitsch, Sizilianer,
des beherrscht wia i fast kaana,
Schottisch, Englisch, Caro-Kann,
Bauernopfer, Simultan,
Doppeldrohung, Rösselsprung,
Abzugsschach und Fesselung,
und den Reti sei System
san fia mi kaa groß' Problem.
I putz die ganzen Gegner weg,
ma kennt fast sagn, i bin a Crack.

Jetzt spiel i nur mehr mitn Computer,
der is fia mi a leichtes Futter:
I hab gegn eahm no nie valurn,
a andra waar längst narrisch wurdn:
Zerscht schnapp i eahm die Bauern da~,
dann stich i eahm die Rösseln a~.
Den Läufern drah i um des Gnack,
die Türm zaschiaß i mit der Flak.
Und dann, mit irgndaan Überschmäh,
da fang i eahm sei Dam', dem Weh.
Jetzt is der Keenig isoliert,
und wird genüsslich massakriert.

Doch waaßt, es is net ollas so,
wann i so spieln kennt, waar i froh.
I hab gegn eahm no nie valurn,
do des liegt net an de Figurn:
Weil immer, wann i bin vurn Matt,
dann wird eahm gschwind der Saft abdraht!


SCHACHSONETT
(Christian Morgenstern)

Christian Morgenstern war Zeit seines Lebens fanatischer Schachspieler. Ob sein berühmtes Nonsense-Gedicht "Das große Lalula" tatsächlich eine Schachpartie widergibt - darüber streiten sich die Gelehrten.

Dem edlen Schach vergleich ich das Sonett.
Eröffnung, Aufbau, Mittel-, Endspiel - trau'n,
das alles ist so hier wie dort zu schau'n,
und auch selbst hier sitzt oft ein paar am Brett.

Vier Züge schon vorbei! Gefährlich Bau'n!
Verwirrung trübt mich ... Opfer und - Verlust! ...
Doch dieser Zug jetzt macht den Fehler wett.
Und auch dem Endspiel darf ich noch vertrau'n.

Jetzt brenn ich erst und spür mich Brust an Brust;
und greife nicht mehr fehl im strengen Kriege;
und lege meisternd Hand auf Brett und Blatt.

Noch einmal blitzt das feindliche Florett -
doch ich parier's und nun auch schon: Schachmatt!
(Ich muss erst immer fallen, eh ich siege.)

 

 


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